24. Mai 2011

Rennrad. Knorke. Velothon.

"Berlin, Berlin – wir fahren nach Berlin!“ - rufen die Schalcke- und Duisburg-Fans allenthalben, denn das DFB-Pokalspiel treibt die Blauen zu Zehntausenden in die Stadt. Mich auch, aber mir geht es um etwas ganz anderes: Rennrad fahren! Der Velothon steht an.
So packe ich mein Rad und meine Klamotten in den Alfa Giulietta von Sixt (geniales Teil!) und mache mich, wie Tausende andere Rennradler auch, auf die Autobahn. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich wieder einen der Rennrad-Anhänger, -Dachgepäckträger oder -Teambusse sehe, die genauso wie ich die A24 befahren.
Velothon 2011 – in meiner Heimatstadt Berlin. Da ist Teilnahme Pflicht!
Im Prenzlberg bei meinem Freund Jan angekommen, beziehe ich am Samstag Quartier. Mein frisch gewartetes, geputztes und rennfertig geschniegeltes Cervélo R3 stelle ich zu seinem verstaubten Bianchi. Kein unbekanntes Rad – auf ihm begleitete er mich 2008 auf dem Trip durch Dänemark und Schweden.
Jan wird leider nicht teilnehmen – und irgendwie schaut das Bianchi auch ein wenig enttäuscht drein.
Den Nachmittag verbringe ich mit der Akkreditierung und der in Augenscheinnahme des Messebereiches, in Begleitung von Oliver, mit dem ich auch einige Touren absolviert habe.
Bevor ich mich ziemlich früh dann bettfertig mache gibt es ein nahrhaftes Risotto und Panna Cotta beim großartigen „Herr Rossi“. Gewohnt unruhig träumend fiebere ich in der Nacht dem Start entgegen.
Früh geht es raus: Es ist 7:45 Uhr als ich gemütlich am Fernsehturm vorbei zur Startaufstellung in die Friedrichstraße rolle. Der Himmel ist kristallblau – obschon sie für Mittag-Nachmittag „heftige Regenfälle und schwere Gewitter“ voraus gesagt haben, mache ich mir keine allzu großen Sorgen.
Wenn es losgeht mit dem großen Krawumm sollte ich schon im Ziel sein. Sollte ich. Schaffe ich. Schaffe ich?
Im Startblock angekommen ist noch wenig los. Ich habe leider F bekommen – sehr weit hinten. „F... Fu.... Verdammt!“, fluche ich in mich hinein, als ich die ersten Bierbauch-Daddies ankommen sehe. Nicht, dass ich hier noch den Kuchenblock erwischt habe!
Den Start der 60-Kilometer kann ich noch miterleben und bin erleichtert – wenigstens die Hörnchenlenkerfraktion scheint zum größten Teil weg zu sein.
Ich schlängle mich bis vor zum Block C, wo ich freie Sicht auf das Brandenburger Tor habe: Der erste Höhepunkt also schon wenige Meter nach dem Start. Überhaupt scheinen sich die Veranstalter große Mühe gegeben zu haben, die Strecke an so vielen sehenswerten Punkten Berlins wie möglich vorbeizuführen.
Immerhin kommen mit Friedrichsstraße und dem Brandenburger Tor, dem Schloss Charlottenburg, der Gegend um die Havelchaussee, dem Tempelhofer Flughafen, der East-Side-Gallery, dem neuen Hauptbahnhof (Happy B-day zum 5ten!) und dem Regierungsviertel schon genug Spots zusammen, um den Velothon auch den Beinamen „Stadtbesichtigung mit Speed“ geben zu können.
Ob die knapp 10.000 Rennradler davon allerdings so viel mitbekommen werden, daran habe ich meine Zweifel.
Warm wird es langsam, und langsam füllt sich auch mein Block F. Sehr zu meinem Vergnügen auch mit dem einen oder anderen, sehr angenehm anzuschauenden Damenhintern in engen Radklamotten.
Ein würziger Kontrast zu den Kuchenbäuchen, die allenthalben auftauchen.
Ich lerne Nahne aus Flensburg kennen. Er ist etwas nervös, denn dieser Velothon ist sein erstes Rennen. Wir unterhalten uns nett und genießen die Sonne, bis ihn ein Hintermann auf seine nicht gut befestigte Startnummer aufmerksam macht. Es wird ihm geholfen, die Sicherheitsnadeln ordentlich zu befestigen.
Er atmet tief durch, als der erste „Schreck“ vorbei ist.
„Ey,“ sagt ein Anderer zu ihm und deutet auf die Laufräder: „Du hast die Mäntel falsch herum montiert.“
Es scheint nicht Nahnes Tag zu werden …
Irgendwann kurz nach halb 10 fällt dann auch der Startschuss für meinen Block 11. Wir rufen uns allen ein flüchtiges „Gute Fahrt!“ und „Komm heile an!“ zu, dann treten wir rein.
Freilich nicht volle Pulle, denn wir werden von Skatern, die als Pacer dienen, durchs Brandenburger Tor begleitet. Eine Linkskurve gen Potsdamer Platz, noch immer kaum Beschleunigung.
„So könnte dit weitajehn!“, ruft einer hinter mir.
Einbiegen zwischen Bahn-Tower und Daimler-Haus, das Feld beginnt sich zu ziehen, und dann, dann endlich schalte ich aufs große Blatt – wir durchbrechen die 40 km/h – das Rennen ist eröffnet!
Durch den Bezirk Tiergarten schlängelt sich das Peloton, wie gewohnt noch sehr nervös. Einige Honks ziehen munter von links nach rechts, von rechts nach links. Erst lautes Ermahnen und ab und zu ein heftiges Gepöbel: „Halte Deine Linie, Du Idiot!“ bringt sie dazu, einigermaßen diszipliniert zu fahren.
44 km/h stehen immerzu auf dem Display meines Edge und ich bin zufrieden: Wenn es so flott weitergeht, wird das ein schönes, wird es ein hartes Rennen!
Wir schießen auf das Schloss Charlottenburg zu, am Straßenrand stehen vereinzelt Zuschauer, aber wenig Beifall: Die meisten warten nur, endlich die Straße überqueren zu dürfen.
Durch die nächsten Kurven geht es schon besser: Die Leute halten ihre Linien und ich kann mich mehr und mehr darauf konzentrieren, nach vorne zu fahren.
Was schaffe ich? In F gestartet … vielleicht komme ich vor bis C? Das wäre was!
Das Feld – mittlerweile durch die Steigung am ICC auseinander gezogen – zieht sie wie eine Perlenkette durch die Stadt. Für mich perfekt, denn so kann ich mich von Fahrer zu Fahrer hangeln und so alle Minute ein Dutzend Rennradler überholen.
Ich drehe mich um und bemerke, dass mit mir einige andere die selbe Idee hatten.
Wenig später wird es grün.
„Aha,“ denke ich mir, „nun geht es auf die Havelchaussee.“ Hier haben sie laut Streckenbuch die Steigungen des Rennens eingebaut. Am Ende werden es 490 Höhenmeter werden – sehr wenig, für ein Rennen mit 120 km Länge, sehr viel für eine Stadt wie Berlin, die eigentlich keine Steigungen hat.
Dann kommen die ersten „Rampen“.
Ich bin enttäuscht. Nur wenige Meter geht es spürbar bergauf, und selbst diese Steigungen sind nicht vergleichbar mit einer Tour ´d Energie oder selbst den Rampen, die sie bei den Hamburger Cyclassics für die Touristik-Rennradler bereithalten.
So verlangsamt sich das Peloton auch nur ein wenig. Für eine Selektion reichen diese Wellen aber nicht aus. Mein Speed sinkt kaum unter die 30. Mit einem Flunsch komme ich auf der Bergkuppe an und halte das für einen schlechten Scherz.
Vielleicht, so denke ich mir, wird die „gefährliche Abfahrt“ mit der Linkskurve zum Kronprinzessinnenweg ja anspruchsvoller. Immerhin warnen sie im Roadbook vor dieser Stelle und auch Olli, für den dies hier die Haus-und-Hofstrecke ist, wusste einige Sätze über diese Kurve zu berichten.
Tatsächlich erreiche ich fast 60 km/h bei der kurzen Abfahrt, aber auch die Kurve kann mir leider nicht mehr als ein Schulterzucken entlocken – Gefährlich? Für den Kuchenblock vielleicht. Ich persönlich fand das eher … süß.
Wir sammeln uns in einem kleinen Gruppetto auf dem Kronprizessinnenweg und treten rein: Speed ist die Devise!
Mit mir haben sich etwa 8, 9 Rennradler gefunden, die in etwa die gleiche Geschwindigkeit haben: Da ist einer im Trikot der Tageszeitung „Neues Deutschland“ - Druck von Links können wir gebrauchen! Einer, den ich „den Holländer“ taufe – ein großgewachsener Bolide, der zwar immer nur kurz im Wind ist, aber wenn, dann geht er ran wie Blücher am Katzbach!
„Der Grüne“ ist das Gegenteil – kompakter Körperbau, hohe Trittfrequenz. Der führt lange im Wind und hält dabei das Tempo hoch.
Wenn wir dran sind, dann wechsle ich mich mit zwei Radlern in den Klamotten des Profi-Teams Caisse d´Epargne ab. Einer von denen trägt ein Schweißtuch unterm Helm und fährt ein schickes BMC-Rennrad.
Da der aber bisweilen gefährlich nervös die Linie ändert beschließe ich, eher Abstand zu halten. Den anderen Caisse d´Epargne-Fahrer werde ich bis zum Rennende an meiner Seite haben.
Zudem noch einen schlacksigen Typen wie mich im Cervélo-Trikot, das Thor Hushovd als norwegischer Landesmeister 2010 getragen hatte.
Wir sind eine starke Truppe, die von hinten den gesamten Block F aufarbeitet. Und schon – keine 30 Kilometer gefahren – sind mir mitten in E. Einige D-Fahrer sind auch schon eingefangen.
Ich habe Superlaune!
Leider verschlägt es mich dann und wann an den rechten Rand des Pelotons. Das ist der sehr undisziplinierten Fahrweise vieler Teilnehmer geschuldet. Nervös und teilweise einfach unwissend nutzen viele die rechte „Überholspur“, um in Zweier- und Dreierreihen nebeneinander her zu fahren.
Da wir oft mit 5 bis 8 km/h Überschuss ankommen, bleibt da oft keine Zeit, zu rufen – auch wenn es schlechter Stil ist, überholen wir einfach rechts herum.
Leider sehe ich viele Stürze – allein die ersten 50 Kilometer 3 Rettungswagen mit Blaulicht am Straßenrand.
Bis zur südlichen Wendemarke bei Siethen müssen wir uns mit einem nervigen seitlichen Gegenwind plagen. Unser Gruppetto macht es ganz gut und so wechseln wir uns bei der Arbeit im Wind ab.
Die Ortsdurchfahrten geraten zum Schaulaufen und anders als in Berlin, wo wir mit Missachtung gestraft wurden, stehen sie in Brandenburg zu Hunderten am Rand, einmal haben sie ein Schlagzeug aufgebaut und machen Mucke, ein anderes Mal sind Cheerleader-Mädchen in Röckchen und Glitzerpuscheln am Start. So macht das Spaß!
Ich lasse – wie viele andere auch - die Verpflegungsstation links liegen. Nie wieder mache ich den Fehler wie bei den Cyclassics 2010 oder beim Münsterland.Giro und halte an: Der Körper schaltet auf „Oh cool, das Rennen ist vorbei, ich bin dann mal weg.“ und so kommt man nie wieder in Gang.
Ich habe mich vorbereitet: Zu meiner normalen Renntaktik, alle 30 km ein Power-Gel zu lutschen habe ich mir zudem zusätzlich zu meinen beiden Trinkflaschen am Rahmen (gefüllt mit 2:1 Power-Granulat von High5) eine weitere Trinkflasche (gefüllt mit 2:1 Extreme Coffein) in die Rückentasche des Trikots gesteckt. Das gibt Zuversicht.
Wenig später biegen wir auf die abgesperrte B101 ein, die hier, dreispurig ausgebaut, wie eine Autobahn daherkommt. Da wir nun nach Norden fahren, haben wir extremen Rückenwind.
Ich nutze diesen und trete rein – fast mühelos erreiche ich allein im Wind 45 km/h und merke, dass ich gute Beine habe.
Ich ziehe meinem Gruppetto davon …
Mehr und mehr Abstand kann ich zwischen meine Mitstreiter bringen und finde mich zeitweise allein auf den anstehenden knapp 15 Kilometern Luxusasphalt wieder.
Als ich die nächste größere Gruppe erreiche, heben sie auf einmal wild die Hände und brüllen: „Achtung! Unfall!“
Mit 40 im Freilauf surren wir an zwei böse Gestürzten vorbei. Einer steht gerade auf, ein anderer liegt, sich vor Schmerz windend, noch auf dem Asphalt. Da schon einige helfend angehalten haben, fahren wir weiter.
Ich kann da nur den Kopf schütteln: Wie bitte bringt man es fertig, auf einem 50 Meter breiten, schnurgeraden Stück zu stürzen?!?
Es vergehen vergleichbar langweilige Kilometer auf der B-Straße. Nichts passiert wirklich, außer dass wir sehr schnell vorankommen. Von hinten holt eine größere Gruppe auf, die 2, 3 km/h schneller ist als ich. Von ihr lasse ich mich einsammeln und „verstecke“ mich im Mittelfeld.
Denn ich weiß, was bald kommt …
Vorne machen sie schön Tempo, dann und wann zwingt uns die Strecke wieder in den Wind, der hier in der Stadt durch die Straßenschluchten oftmals kanalisiert noch viel stärker erscheint, als er draußen in Brandenburg war.
Ich taktiere: Wir fahren 35 bis 38 km/h. Das ist nicht übermäßig schnell, aber schnell genug. Denn ich vermute, dass das, was nun folgt, die Schlüsselstelle des Rennens werden wird: Tempelhof!
Irgendwann haben wir uns über unzählige Ampeln (und gefühlten zehntausend Schlaglöcher) gekämpft, als ein Schild „Vorsicht, scharfe Rechtskurve!“ ankündigt.
Ich rolle vor auf eine Position, auf der ich keinen Vordermann auf vier, fünf Radlängen habe, denn ich habe vor, nach der Kurve hart zu beschleunigen. Als wir auf die Freifläche des Flughafens Tempelhof einbiegen, sind die meisten erst einmal baff. Das Peloton beschleunigt kaum.
Ich habe das geahnt und kann so durch einen einzigen Antritt die gesamte Gruppe hinter mir lassen. Zunächst geht es über einen ehemaligen Taxiway in einer langen Linkskurve eingezäunt durch klatschende Massen: Hier hole ich Speed.
Dann auf die Startbahn – und es klatscht ein harter Seitenwind mit voller Wucht die Fahrer fast von der Bahn! Abrupt wird alles um 10 km/h abgebremst, wir müssen die Lenker festhalten und uns mit aller Macht in den Wind stemmen.
Es sind kaum 25 km/h, die auf meinem Tacho stehen. Genug, um den Abstand zu meiner Gruppe konstant zu halten – genug, um mit 1, 2 km/h Überschuss vor mir Fahrende zu überholen. Einer nach dem anderen.
Ich beiße, ich kämpfe. Ist das das Äquivalent zu den harten Anstiegen, die ich in der Havelchausssee vermisst habe?
Links neben mir, versetzt, holt einer auf. Neben ihm wieder einer. Und noch einer. Wir sind eine schicke Windstaffel. Die aber nach wenigen Metern zusammenbricht: Das ist halt was technisch ganz anderes, als Hintereinanderfahren, was Jungs?
Am Ende der nur 3 Kilometer langen Startbahn, bin ich allein – hinter mir auf 250 Meter niemand, vor mir auf 1 Kilometer vielleicht nur 4, 5 Fahrer.
Durch Kreuzberg fahre ich mit einem Grinsen: Am Kotti im Karstadt habe ich damals als 11-Jähriger meine 100 DM Begrüßungsgeld ausgegeben, bei der Schönleinstraße hat ein Studienkollege gewohnt, am Wrangelufer habe ich so manche Party gefeiert und als ich die Spree auf der Oberbaumbrücke – mittlerweile leider (und Gottseidank!) von meinen alten Bekannten, dem Belgier, dem Grünen und einem Caisse d´Epargne-Fahrer eingeholt – überquere, kommen mir fast die Tränen: Hier habe ich jahrelang gewohnt, da, da hinten im Chefhain … fast gebe ich dem Impuls nach, an der Warschauer einfach geradeaus in meine Vergangenheit zu fahren, als mich das Renngeschehen wieder einholt.
Wieder mit Rückenwind geht es recht rasant die East-Side-Gallery entlang. Ich sehe auf dem Display meines Garmin, dass wir keine 15 Kilometer mehr zurück zu legen haben und die Vorfreude auf das Ankommen macht sich in mir breit: Nun heißt es wachsam bleiben! Nicht einlullen lassen!
Das fiese Alexa und den Alexanderplatz umrunden wir, rein gehts nach Mitte. Am Straßenrand nun verstärkt auch jubelnde Zuschauer. Ein schönes Gefühl, diese Stadt im Vollgasdelirium durchmessen zu können!
Ich bleibe nun am Hinterrad vom Caisse d´Epargne. Der Grüne und der Belgier sind hinter mir. Wir rollen mit einer Gruppe mit, nicht übermäßig schnell, aber als wir im Regierungsviertel erneut in den Gegenwind drehen und uns die Goldelse mit ruppigen Böen empfängt, scheint es, als habe Apathie die Rennfahrer (mich eingeschlossen) befallen.
Die gefürchteten Positionskämpfe und die gar in unzähligen Schauergeschichten erzählten, angeblich für den Velothon typischen Idioten, die unbedingt zum Schluss noch sprinten müssen, erlebe ich nicht.
Statt dessen geht es mit knapp 40 km/h sehr ruhig und geordnet, fast unspektakulär, über die Ziellinie. Ich richte mich auf und reiße die Arme in die Höhe: Nicht, dass ich so stolz auf mich wäre, weil ich ein so tolles Rennen gefahren bin, sondern weil ich mich so sehr freue, nach 5 Jahren endlich in meinem Berlin ein Rennen gefahren zu sein.
Beim Ausrollen in Richtung Kanzleramt mache ich mir meine Gedanken.
Wir stehen da, viele rufen ihre Lieben daheim an, andere übergießen sich mit dem letzten Rest ihrer Wasserflaschen, einige schnattern munter drauflos, und wir warten, an der Reihe zu sein, um die Transponder zurück zu geben.
Dann geht es zum halben Liter alkfreien Hefeweizen, das nur so in meiner Kehle zischt: Meine Strategie, ohne Pause und mit 3 Flaschen zu fahren, hat gerade so geklappt. Auf den letzten 10 Kilometern bin ich trocken gefahren, dieses Rennen hätte keinen Meter länger sein dürfen!
Dafür habe ich aber nur 3 Gels gelutscht.
Ich suche und finde einen einigermaßen ruhigen Platz. Neben mir machen es sich hunderte, tausende fertiger Helden gemütlich. Einige plappern sich enthusiastisch das Erlebte vom Leib, andere telefonieren mit den gestürzten Teamkameraden im Krankenhaus, ich rufe Freundin und Eltern an.
Über uns beginnen sich fette Wolken drohend zu stapeln – die Gewitter ziehen auf.
Ich aber bin durch, frohlocke ich und beschaue mir das Erreichte: 3:02 Stunden mit einem Schnitt von fast 39 km/h sind ein super Wert, obschon ich mich später sehr über die 2 Minuten ärgern werde.
Alles in allem bringt mir dies den 327ten Platz in meiner Altersklasse ein. Von 1050 Fahrern. Ordentlich – aber aufgrund der immensen Leistungsunterschiede nicht mit den Ergebnissen eines Rennens im Rahmen des German Cycling Cups zu vergleichen.
Zu Hause hänge ich die Velothon-Medaillie neben die der Cyclassics und resümiere: Der Velothon war ein top organisiertes Rennen. Keine Frage. Er war ein langes Rennen, ein schlauchendes Rennen.
Aber ein Rennen, das sie für eine breite Masse konzipiert hatten.
Wenig anspruchsvoll gestaltet sich die Streckenführung. Es gibt keinerlei Anstiege, die von Gradient oder Länge her für eine Selektion hätten sorgen können. Ebenso sieht es mit den Abfahrten aus. Letzteres kann ich aus Sicherheitsgründen verstehen – ersteres nicht.
Als entscheidend bleiben mir zwei Abschnitte in Erinnerung – ungewollt hat das lange Geradeausstück auf der B101 für Vorentscheidungen gesorgt. Wer hier die Gunst der Stunde und den starken Rückenwind ausgenutzt hat, konnte wertvolle Minuten und Platzierungen gutmachen.
Zum zweiten der Flughafen Tempelhof: Die meisten der Rennfahrer waren weder auf den atemberaubenden Anblick noch (und das ist das Entscheidende) auf den Wind vorbereitet. Die verbreitete Unfähigkeit, wirksame Windstaffeln zu bilden und der Fakt, dass die meisten nach über 100 Kilometern schon deutlich abgekämpft waren, hat hier vielen Rennfahrern wertvolle Zeit und Körner abgenommen.
Wie immer: Wer an einem Rennradrennen teilnimmt, sollte ich vorab sehr genau mit der Strecke, ihrem Profil und der Windrichtung auseinandersetzen!
Velothon 2011 – ein schönes, wenn auch wenig spektakuläres Rennen für mich, das aber durch den Fakt, meiner Heimat eine sportliche Aufwartung gemacht zu haben, für immer einen besonderen Platz in meinem Palmarés haben wird.

Gefahren: 120 km in 3:02 Stunden mit 38,6 km/h avg und 59 km/h Spitze.

5 Kommentare:

  1. Sehr schöner Bericht, der auch mein Erleben gut widerspiegelt. Bin aus D mit 3:09 ins Ziel geradelt und insgesamt sehr zufrieden mit allem. Als nächstes stehen die Cyclassics auf dem Plan :)
    Gruß
    Thorsten

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  2. "Wenig anspruchsvoll gestaltet sich die Streckenführung. Es gibt keinerlei Anstiege, die von Gradient oder Länge her für eine Selektion hätten sorgen können. Ebenso sieht es mit den Abfahrten aus. Letzteres kann ich aus Sicherheitsgründen verstehen – ersteres nicht."

    ... dann fahr halt nicht in Berlin. Berge gibts nunmal nicht, die wird auch keiner herzaubern können. Mir gefiehl die Streckenführung, klar sind richtige Anstiege interessant, nunmal aber hier nicht machbar. Kritik daran also fraglich.

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  3. dann lies halt nicht meinen blog?!

    darf man keine kritik üben?

    der velothon ist - ebenso wie die cyclassics - eine eher touristische veranstaltung, die auf maximale besucherzahlen ausgelegt ist. deshalb die geringe leistungsdichte - und deshalb auch die anspruchslose strecke.

    wenn du meinen bericht gelesen hast wirst du auch gelesen haben, dass mir das streckenprofil (sagen wir: die profillosigkeit) absolut klar war UND dass ich als berliner meine stadt ja kenne.

    velothon, das war pflicht, nicht weil das rennen so geil ist, sondern weil es der velothon ist.

    im übrigen finde ich die veranstaltung an sich ja auch klasse: top-organisiert, sehr professionell.

    nur für MEINEN geschmack bietet die strecke selbst außer der länge und dem sightseeing-charakter durch berlin keine spannenden eckpunkte. fertig.

    und wer mir in meinem eigenen blog das kritisieren verbieten will, sollte vielleicht mal darüber nachdenken, wie toll das von mir ist, DEINE kritik hier ungeprüft zu veröffentlichen, oder?

    viele grüße, herr/frau anonym.

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  4. Klar darfst du Kritik üben. Und ja, du hast recht: Es ist ein Massenevent, die Strecke ist (vom Profil her) anspruchslos (und auch sonst). Aber zu sagen, dass es nicht zu verstehen sei, das es keine Anstiege gibt, kann ich dennoch nicht nachvollziehen - ist ja halt nicht so, das die Strecke konsequent an Bergen vorbeigeführt wird.

    Wahrscheinlich störe ich mich einfach nur zu sehr an der Formulierung des ganzen. Du meinst ja, dass du die Strecke nicht sonderlich magst, weil sie eben flach ist. Das is ja auch okay. Dennoch ist eben vollkommen verständlich, dass dies so ist. Eben mangels Bergen.

    Trotzdem lese ich gerne deinen Blog, da (meist) unterhaltsam geschrieben und ich oft ähnliche Erfahrungen mache/gemacht habe.

    No offense & viele Grüße zurück

    Herr/Frau Anonym

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  5. na klaro, kein problem :o)

    freue mich über jeden leser.
    und jedes comment.

    liebe grüße,
    L

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